3. Impuls zur Ausstellung „ohne berechnung“ in der Überwasserkirche
Durchblicke und Perspektiven
Was hat Ulrike Lindner denn da getan?
Statt – wie im Fenster – die Quadrate nebeneinander anzuordnen, hat sie sie gestapelt.
Keine Gitterlinien entstehen, ziehharmonika-gleich schaut der Tyvek-Quader mich an.
Tyvek war mir bisher noch nicht begegnet. Verpackungsmaterial, zusammengenäht.
Hübsch, aber sonst?
Statt des Durchblicks – ein Durchbruch, ein Fragezeichen.
Ratloses Objekt. Ratlose Betrachterin. Und nun?
Der Titel verspricht: von der Frage zur Aussage – von der Aussage zur Frage
Und wo ist die Aussage? Keine Antwort.
Tagelang kaue ich innerlich an diesem Objekt herum?
Die Ziehharmonika will einfach nicht widertönen in mir und lässt mir doch keine Ruhe.
Nächtlich kommt die Idee: Muss ich die Perspektive ändern?
Die andere Seite der Medaille, also der Ziehharmonika, betrachten?
Ich springe zur Kirche herüber – und der Quader ist in Bewegung geraten,
an seiner Befestigung, in mir.
Der lichte Quader lädt dazu ein, auch die andere Seite zu sehen.
Ich drehe mit, den Quader, mich um den Quader.
Das Ausrufezeichen gibt den Durchblick frei – auf die andere Seite, auf das Fragezeichen.
Und wer genau hinschaut, sieht auch im Fragezeichen das Ausrufezeichen.
Lebenslang von der Frage zur Aussage, von der Aussage zur Frage, von der Frage …
Nicht zu schnell aufgeben.
Die andere Seite sehen.
Die andere Perspektive einnehmen.
Die Aussage entdecken und das Fragen nicht lassen.
Die Fragen aushalten und noch an Antworten glauben, wo sie ausbleiben.
Eine Fastenübung der besonderen Art, ein Leben lang.
Sr. Katharina Kluitmann