Die Chance über eine "Kultur der Berufung" nachzudenken
Das Jahr der Orden bot mir in der letzten Februarwoche (23. bis 27.2.2015) eine besondere Chance. Seitens der Bischofskonferenz war ich gebeten worden, als deutsche Vertreterin an einer Konferenz über Berufungspastoral für das Ordensleben teilzunehmen.
Die TeilnehmerInnen kamen aus der englischsprachigen westlichen Welt, sowie aus Frankreich und Deutschland. Das Treffen fand in Rom statt und wurde vom NRVC, der National Religious Vocation Conference, einer US-amerikanischen Arbeitsgemeinschaft für Berufungspastoral für das Ordensleben, vorbereitet. Die Conrad N. Hilton-Foundation sponsorte die komplette Veranstaltung.
Brüder und Schwestern aus 9 Ländern, meist eine(r) aus jedem Land, nahmen teil: USA und Kanada, England/Wales und Irland, Australien, Neuseeland und Ozeanien, sowie eben Frankreich und Deutschland. Ferner waren je eine Vertretung anwesend von der Hilton-Stiftung, von der Religiosenkongregation, den weltweiten Ordensoberen-Vereinigungen der Männer und Frauen (USG und UISG), sowie der Vereinigung der Ordensmänner und -frauen in Europa UCESM. Alle Teilnehmer stellten ihre jeweiligen Realitäten vor.
Berichte aus den Ländern waren schon vorher in einer längeren schriftlichen Form allen zugegangen. Dann versuchten wir, gemeinsame Linien herauszuarbeiten, Ähnlichkeiten und auch Unterschiede in den Umfeldern, aus denen wir kommen. Aus all dem entstand eine Zusammenfassung, die dann bei einem Besuch bei der Religiosenkongregation vorgestellt wurde. Dieses Treffen war eine wirklich gute und geisterfüllte Erfahrung. Wir spürten unsere Einigkeit.
Wir haben nicht nur die gleichen Fragen, wir kommen auch zu sehr ähnlichen, um nicht zu sagen gleichen Ergebnissen. Einige davon sind:
- Ordensleben ist eine Gabe an die Kirche und hat eine kirchliche Dimension, die im theologischen Denken noch klarer gefasst werden könnte.
- Ordensleben nur als funktionale Arbeitskraft zu sehen, greift entschieden zu kurz.
- Die kleiner werdende Zahl der Ordensleute in der westlichen Welt ist traurig, aber weniger überraschend, als es auf den ersten Blick erscheint. Die veränderte Rolle der Frau in der Gesellschaft trägt zu dieser Abnahme wesentlich bei, und man mag sogar fragen, ob wir heute wirklich so viele Ordensfrauen brauchen wie früher einmal.
- Berufungspastoral sollte nicht die Rekrutierung neuer Mitglieder für die eigene Gemeinschaft oder den eigenen Lebensstil sein. Vorrangige Aufgabe derer, die sich heute in der Berufungspastoral engagieren, ist es, Menschen in einem Unterscheidungsprozess zu helfen, in dem sie herausfinden können, wozu Gott sie ruft - und jede Berufung zu feiern, die gefunden wurde, auch wenn sie nicht für die eigene Gemeinschaft oder Lebensform ist. Das schließt die Zusammenarbeit mit Priestern und engagierten Laien, verheiratet und ledig, ein. Es hilft, eine "Kultur der Berufung" zu fördern, eine Atmosphäre, die aus der Wertschätzung unserer Taufe erwächst.
- Diejenigen, die zu uns kommen, brauchen Hilfe, damit ihre Berufung wachsen kann - und zugleich sind sie als kostbare Geschenke Gottes für die Gemeinschaft zu sehen, auch wenn sie anders sind. Sie müssen es sein! Diese Menschen, jung und nicht mehr so jung, helfen uns in unserem eigenen Unterscheidungsprozess, in dem wir suchen, wozu Gott uns heute (!) ruft. Dabei werden wir Formen und Wege von gestern verlassen, und vielleicht sogar Illusionen aufdecken.
- Internet und soziale Netzwerke sind wichtige Mittel für die Berufungspastoral, aber am Ende zählt die persönliche Begegnung. Wir müssen uns fragen, wie viel wir in diesen Dienst "investieren", finanziell und personell. Und selbst wenn wir die besten Schwestern bitten, ihr Herzblut dafür zu geben: Es ist unser aller gemeinsamer Dienst, Zeuginnen der Schönheit des Ordenslebens zu sein, in unserer Welt und weltweit.
Sr. Katharina Kluitmann