Gottes Schöpfung
unterwegs mit Sr. Mathilde Haßenkamp
In seinem Sonnengesang lobt Franz von Assisi Gott und spricht von Sonne, Mond und Sternen, von Wind und Wasser, von Pflanzen und Blumen als seinen Brüdern und Schwestern. Er hat eine ganzheitliche, sensible Beziehung zur Natur. Die suchen die Franziskanerinnen auch heute zu pflegen.
Ist die Natur Ihre Schwester?
In der Sprache von Franziskus ausgedrückt: Ja! Franziskus sagt das jedoch nicht aus einem romantischen Verständnis heraus, sondern weil er Gott im Blick hat. Die Natur sieht er als die Schöpfung Gottes an, wie auch er ein Geschöpf Gottes ist. Deshalb erkennt er in den Gestirnen und Elementen, in den Pflanzen und Tieren seine Geschwister und begegnet ihnen in Ehrfurcht und Achtsamkeit.
Erfahren Sie Gott in der Natur?
Nicht unmittelbar, doch die bunte Vielfalt der Natur, ihre Schönheit und Lebendigkeit lässt mich etwas von Gottes Schöpferkraft erahnen. Franziskus jubelt Gott zu: "Du bist die Schönheit. ... Du bist die Freude und Fröhlichkeit. ... Du bist all unser Reichtum." Auch in mir wecken die bunte Fülle und das feine Zusammenspiel der Kräfte in der Schöpfung Staunen und Dankbarkeit.
Aber heute sterben die Bäume in den Wäldern, die Fische in den Weltmeeren...
Das ist eine traurige Wahrheit. Sie führt uns vor Augen, dass wir auf dem falschen Weg sind. Mit unserem "Immer Mehr", "Immer Größer", "Immer Schneller" richten wir unsere Welt zugrunde. – Gewiss, es gibt auch die Gegenbewegung, die sich für den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwicklung stark macht. Franziskus wurde zu ihrem Patron ernannt.
Tatsächlich kann er uns noch ein anderes "Mehr" aufzeigen. Er ist nicht von dem Eigeninteresse geleitet, die Ressourcen für sein Leben zu erhalten, sondern er geht achtsam und liebevoll mit den Dingen und Wesen um, weil sie - wie er selbst - Geschöpfe seines Gottes sind. Er ist nicht ihr Besitzer und Ausbeuter, sondern ihr Bruder. Es gibt anrührende Geschichten über seine Beziehung zu den Tieren und Pflanzen: Er fordert die Vögel auf zum Lob Gottes. Er trägt den Wurm zur Seite, damit er auf dem Weg nicht zertreten wird. Er sagt den Brüdern, sie sollten den Baum nicht zu weit abschlagen, damit der Stumpf wieder austreiben kann. In dieser Haltung der liebevollen Achtsamkeit und Erfurcht sehe ich ein Vermächtnis des Franziskus für uns.
Und was heißt das konkret für Sie?
Es fängt damit an, dass ich meine Sinne öffne für alles Schöne und für die kleinen und großen Zeichen des Lebens - wie z. B. bei den Pflanzen auf meiner Fensterbank oder der Vogelwelt draußen - und Gott dafür danke. Ich gehe behutsam und sorgfältig mit den Dingen um. Dazu gehört natürlich auch, dass ich mich kundig mache und für den Umweltschutz einsetze. Das ist mit ein Ausdruck unserer Spiritualität. In unseren Konstitutionen (s. Kloster-ABC) heißt es:
"Wir brauchen Zeiten der Sammlung und Stille für dieses kontemplative Gebet. Es führt uns hinein in das Geheimnis Gottes und dadurch zu einer tieferen Ehrfurcht gegenüber der Schöpfung, es lässt uns angehen gegen alles, was sein Werk zerstören könnte." Gen. Konst. 16 und "Wir sind hellhörig für die fortschreitende Offenbarung Gottes, die zu uns kommt im Evangelium und die sich zu erkennen gibt in allen lebenden Wesen und Elementen der Natur, in den Zeichen der Zeit und in dem, was das Volk Gottes in der Welt von heute von uns erwartet." Gen. Konst. 4
Dezember 2013